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Hyperaktivität, ein Symptom innerer Ohnmacht

Von Dr.med. Martin Schuler*



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Der Kerngedanke der Psychotherapie besteht darin, die Hemmungen, die die Entwicklung des Selbst verhindern, zu lösen, um zu der persönlichen Autonomie, die den „freien Willen“ ausmacht, zu gelangen.

Diese Autonomie ist die Voraussetzung dafür, daß die jeweils einmalige Individualität des Menschen zur Gestaltung kommen kann.

Die psychoanalytische Diagnostik basiert auf dem Erkunden des Entwicklungsstadiums psychischer Strukturen, die der Symptomatik zugrunde liegen und diese konstellieren. Ein wesentliches Kriterium dieser Diagnostik ist die Frage, ob das Reifestadium erlangt wurde, welches Mahler die „psychische Geburt des Menschen“ nennt, welche normalerweise ab dem 4. Lebensjahr erreicht ist. Dieses Reifestadium wird in der Entwicklungsdiagnostik auch „Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung“ genannt. Methaphorisch können wir uns die Angel einer Tür vorstellen, welche die Tür öffnet oder schließt. Es ist die Türe, durch die das Kind erste selbständige Schritte von den Eltern weg „in die Welt“ wagt, was besonders augenfällig wird in dem Eintritt in den Kindergarten in diesem Alter.
Erstaunlichweise wird im Umgang mit ADHS sehr viel Wert gelegt auf die Aufzählung der – zugegebenermaßen lärmenden – Symptome und die Frage nach psychodynamischen Ursachen vernachlässigt.
Dieses überwiegend anzutreffende deskriptive Konzept birgt die Gefahr einer Verwirrung. Auch aus meiner Erfahrung mit Analysen Erwachsener erscheint mir die zentrale Frage einer ADHS-Diagnostik diejenige, ob die „psychische Geburt“ erfolgt ist; d. h. ob der Separations-/Individuationsprozeß der ersten drei Lebensjahre gelungen ist.
Wir kennen aus Kinder- wie auch aus Erwachsenen-Therapien als Folgen eines nicht gelungenen Separations-/Individuationsprozesses Störungen der Ich-Funktionen im Bereich der Wahrnehmung, der kohärenten Handlungsabläufe, Objektbeziehungs-störungen im Sinne mangelnder Nähe-Distanzregulierung sowie Arbeitsstörungen.

In der psychoanalytischen Langzeitbehandlung solcher Autonomiestörungen sind wir immer wieder – unabhängig vom Lebensalter des Patienten – ganz zentral auf die Abwehr tiefer, unbewußter Verlassenheitsängste gestoßen, welche verschiedensten Symptomen wie Zwang, Depression, unruhevollem Agieren, Somatisieren und anderen zugrunde liegen (Masterson beschreibt diese Zusammenhänge sehr anschaulich. Werden diese Verlassenheitsgefühle in der Therapie erlebbar, gehen sie oft mit Gefühlen von tiefer Scham, Schuld, Ohnmacht, Vernichtungsangst und tiefer Traurigkeit einher. Dieses Erleben allerdings leitet auch den Heilungsprozeß ein. Erwachsene können leichter als Kinder die durchlebten Gefühle und die psychische Geburt verbalisieren, z. B. durch Aussagen wie diesen: „In der Therapie bin ich durch die Hölle gegangen“, „wenn ich vorher gewusst hätte, was ich erleiden müsste, hätte ich die Therapie nicht angefangen“, aber schließlich auch: „Jetzt bin ich erst geboren, jetzt weiß ich erst, was „Ich“ ist.“

Diese Erfahrungen aus Erwachsenen-Therapien haben meinen Blick für die diagnostische Abklärung des Separations-/Individuationsprozesses des „ADHS-Kindes/-Jugendlichen“, welche auch die Objekt-Beziehungsdiagnostik beinhaltet, geschärft. Letztere muß im Unterschied zur Erwachsenen-Therapien weniger rekonstruiert werden, sondern ist direkt erlebbar, da die Eltern mit einbezogen werden. Ich habe bei allen von mir untersuchten Fällen, welche mit der Vordiagnose „Hyperaktivität“ kamen, festgestellt, daß die „psychische Geburt“ noch nicht erfolgt war und somit eine genügende Ich-Reifung fehlte, um mit den Anforderungen von Kindergarten und Schule adäquat umgehen zu können und daß die damit verbundene Objekt-Beziehungsstörung adäquates soziales Verhalten verhinderte.
Wahrnehmungsfähigkeit, Frustrationstoleranz, Impulssteuerung und Objektkonstanz sind nach psychoanalytischer Auffassung Ich-Funktionen. Diese sind bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS-Symptomatik nicht altersentsprechend entwickelt, sondern auf dem Niveau eines Kleinkindes fixiert, während die rein intellektuelle Leistungsfähigkeit durchaus altersentsprechend sein kann.
In den Therapien von Kindern und Jugendlichen können – wie in Erwachsenentherapien – die Verlassenheitsängste erlebbar werden, wobei für viele Kinder noch die Chance besteht, mit den Eltern selbst Beziehung nachzuholen, weil diese sich auf die (oft nicht geahnten) Bedürfnisse ihres Kindes noch einstellen können. Manchmal haben auch die Eltern selbst therapeutische Hilfe nötig. (Dazu eine Anmerkung zur vielfach behaupteten genetischen Verursachung der ADHS: Es ist bekannt, daß Objektbeziehungsstörungen familiär gehäuft vorkommen und auf psychodynamischen Wege tradiert werden (s. Masterson).
Kernberg führt die Zunahme der Objektbeziehungsstörungen in den USA auf die gesellschaftlichen Zerfallsprozesse hinsichtlich familiärer Bindungen (1997) zurück. Um die im Rahmen eines gestörten Separations-/Individuationsprozesses blockierte Ich-Entwicklung und die Abwehr von Verlassenheitsängsten als Ursache der Symptome der ADHS verständlicher zu machen, gehe ich im folgenden kurz auf das Konzept von Margret Mahler ein.
Am Anfang des menschlichen Lebens stehen zwei antinomische Gegebenheiten: Einerseits eine extreme Abhängigkeit und Hilflosigkeit des Kindes, einhergehend mit einem elementaren existenziellen Bedürfnis nach Beziehung mit der allmählichen Bewusstwerdung der Getrenntheit von der schützenden und nährenden Mutter, die zu Ängsten und Wünschen nach Wiedervereinigung mit ihr führen, andererseits ein starker angeborener Drang nach Selbständigkeit, nach Loslösung und Individuation. Innerhalb dieser Antinomie findet Entwicklung statt, lernt das Kind laufen, denken, sprechen, seine Gefühle benennen, mit ihnen umgehen und vieles mehr. Es baut für das ganze Leben grundlegende innere Strukturen auf.
Nach Margret Mahler besteht in der symbiotischen Phase zunächst ein Zustand der illusorischen Vorstellung einer gemeinsamen Grenze oder auch „gemeinsamen abschirmenden Membran“ (Mahler 1975, S. 79 ) von Mutter und Kind.
(Wenn wir die neuere Säuglingsforschung mit einbeziehen, muß das Mahler'sche Konzept hier natürlich erweitert werden. Insbesondere ihre Vorstellung eines vorausgehenden autistischen Stadiums ist heute nicht mehr haltbar. Als allegorisch-symbolische Umschreibung eines inneren Zustandes ist der Begriff der Symbiose jedoch in der Praxis der Psychotherapie sehr präsent, z. B. als „Zufluchtsort des überforderten Säuglings“. (Dornes 1993, S. 77).
Pine weist darauf hin, daß die Säuglingsforschung in ihrer Beschreibung des kompetenten Säuglings möglicherweise mehr kognitive Momente erfasst, während bei Mahler eher Zeiten ganzheitlichen gefühlshaften Erlebens beschrieben sind.)
Wichtig erscheint mir, daß neuere Ergebnisse der Bindungsforschung auch dahingehend interpretiert werden, daß „das Kind für eine gesunde seelische Entwicklung eine oder wenige wirklich bezogene dauerhafte Beziehungen braucht.“ (Strauß 2005. Persönliche Mitteilung)

Nach der Phase dieser „Einheitswirklichkeit“ (Erich Neumann), folgt mit 4 - 5 Monaten die Differenzierungsphase, in der besonders die Mutter aktiv erkundet wird, und etwa ab dem 5. Monat die Übungsphase, in der sich die Erkundung auf die Umwelt ausdehnt. Das Kind hat Freude an seinen zunehmenden Fähigkeiten, besonders am Krabbeln und Laufen.
Zwischen dem 9. und 13. Monat wird das Kind fähig, die visuellen Wahrnehmungs- anteile aus der Gesamtheit der Wahrnehmungs-, Affekt- und Handlungsmuster herauszulösen (Dornes 1993). Jetzt erst entwickelt sich die für Symbolisierungs-prozesse so wichtige „imaging capacity“ oder Abbildungsfähigkeit, die beispielsweise Voraussetzung dafür ist, daß das innere Bild der Mutter in sich aufrecht erhalten werden kann, wenn diese abwesend ist.
Symbolisierung ist Voraussetzung für erkennendes Wahrnehmen. Es kann angenommen werden, daß spätere Wahrnehmungsstörungen auch auf die Beeinträchtigungen dieser frühen Entwicklungsprozesse von visueller Wahrnehmung und Symbolisierung zurückzuführen sind.

Mit dem wachsenden Bewußtwerden seiner Getrenntheit von der Mutter kommt das Kind in eine Phase gesteigerter Trennungsangst und gesteigerten Wunsches nach Nähe bzw. Wiedervereinigung mit der Mutter, welche oft regelrecht „beschattet“ wird. Mahler spricht von der Wiederannäherungsphase, die etwa um den 15. Lebensmonat beginnt, bis zum 24. Monat geht und und ihren Höhepunkt in der Zeit vom 18. bis 21. Monat hat. Letzteres ist die Zeit der so genannten Wiederannäherungskrise: Anklammern und Weglaufen wechseln sich ab. Es besteht ein erhöhtes Bedürfnis nach Körperkontakt zur Mutter, gleichzeitig aber auch ein starker Wunsch nach Expansion, nach aktiver Erweiterung der Mutter-Kind-Welt; in erster Linie nach weiterer Einbeziehung des Vaters, aber auch anderer Personen.
Es kommt evtl. zu regelrechten Wiederannäherungskämpfen, weil bei dem Kind eine besondere Empfindlichkeit auf Trennung von der Mutter und gleichzeitig auf Festgehaltenwerden besteht.

Die Wiederannäherungsphase ist psychodynamisch von großer Relevanz. Es besteht eine besondere Verletzlichkeit in der seelischen Entwicklung.

  Theodor Storm hat der Stimmung in dieser Subphase Ausdruck verliehen:
  Auf meinem Schoße sitzet nun
Und ruht der kleine Mann.
Mich schauen aus der Dämmerung
Die zarten Augen an.
Er spielt nicht mehr, er ist bei mir,
will nirgends anders sein.
Die kleine Seele tritt heraus
Und will zu mir herein.


Die Trennung von Mutter und Kind, z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt, kann schwerwiegende Auswirkungen haben. In dieser Phase können manche Mütter die Ambivalenz des Kindes nicht ertragen oder aus inneren oder äußeren Gründen das Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit nicht befriedigen; das Kind wird zurückgewiesen. Andere Mütter sind unfähig, die allmähliche Loslösung des Kindes zu akzeptieren, sie reagieren ablehnend gegenüber Schritten in die Selbständigkeit und belohnen regressives Verhalten des Kindes.
Während Mahler in der Differenzierungs- und Übungsphase bei den Kindern als Reaktion auf eine Trennung von der Mutter einen charakteristischen Stimmungsabfall mit Verlust des Interesses an der Umwelt und „Verlangsamung der gestischen- und Leistungsmotilität“ (Mahler 1975, S. 98) beobachtete, stellte sie fest, daß in der frühen Wiederannäherungsphase, nachdem um den 15. Lebensmonat herum die Getrenntheit von der Mutter zunehmend deutlich bewußt wahrgenommen wird, die Abwesenheit der Mutter ein neues Verhalten, nämlich gesteigerte Aktivität und Unruhe, auslöst:
„Während der frühen Wiederannäherung glaubten wir nun eine andere Verhaltensweise zu erkennen: die Abwesenheit der Mutter löste gesteigerte Aktivität und Unruhe aus. Es scheint, als sei das Äquivalent zum Stimmungsabfall, wenn sich das Kind seiner Getrenntheit bewußt wird, ein Gefühl der Traurigkeit. Diese Traurigkeit scheint jedoch zu ihrer Bewältigung einen größeren Aufwand an Ich-Stärke zu erfordern, den das Kind in diesem Alter offenbar noch nicht aufbringen kann; Hyperaktivität und Ruhelosigkeit könnten daher hier als frühe Abwehr gegen das Gewahrwerden des schmerzlichen Empfindens der Traurigkeit angesehen werden.“ (Mahler 1975, S. 121)

Der hier von Mahler hergestellte Zusammenhang von Ich-Schwäche, Traurigkeit und Hyperaktivität erscheint mir sehr bedeutsam. Überproportional häufig konnten die Mütter der ADHS- Kinder, die ich untersucht habe, typische Merkmale der Wiederannäherungsphase ihres Kindes nicht aus der Erinnerung beschreiben. Diejenigen, die sich daran erinnerten, hatten sie als sehr belastend empfunden.

Zu Beginn des 3. Lebensjahres beginnt nach Mahler die Phase der Konsolidierung der Individualität. Die verbale Kommunikation entwickelt sich in dieser Phase rasch weiter und erweitert allmählich die Verständigungsweisen. Es kommt zu einer Ich-Differenzierung, zu deutlicher Abgrenzung der inneren Repräsentanzen des Selbst von den inneren Repräsentanzen des Objekts. Gegen Ende des 3. Lebensjahres sagt das Kind schließlich „Ich“ zu sich selbst. Erst jetzt sollte sollte von der psychischen Geburt des Kindes bzw. der Geburt des Ich gesprochen werden.
Wenn die Möglichkeit verbaler Kommunikation durch emotionale und kommunikative Vernachlässigung beeinträchtigt wird, ist es dem Kind auch nicht möglich, Gefühle zu benennen und mitzuteilen. Auf diese Weise bleiben frühkindliche Ausdrucks-, Entladungs- und Abwehrwege bestehen und können sich später in einem Bild der Hyperaktivität darstellen.
Erst im dritten Lebensjahre ist das Kind nach Mahler „auf dem Wege zur Objektkonstanz“. Diese beinhaltet, daß die Mutter während ihrer physischen Abwesenheit durch ein verläßliches integriertes inneres Bild ersetzt werden kann. Schließlich ist das dreijährige Kind fähig, sich in fremden Gruppen wohlzufühlen, es kann in den Kindergarten gehen.

Hyperaktive Kinder haben meines Erachtens diese innere Reifungsstufe der wirklichen Gruppenfähigkeit noch nicht erlangt.

Ein gelungener Individuationsprozeß ist dadurch gekennzeichnet, daß das Kind gleichzeitig sowohl in Beziehung zu sich selbst als auch zu anderen Menschen stehen kann. Hyperaktive Kinder haben weder eine sichere Beziehung zu sich selbst noch zu anderen. Sie pendeln in einem Zwischenraum – ohnmächtig und mit planloser Aktivität – hin und her, was meiner Ansicht nach einem Fixiertsein im Wiederannäherungsprozeß entspricht.
Die Kinder werden am gesunden „Ergreifen des Selbst“ gehindert, d. h. an der Wahrnehmung der eigenen, inneren Freiheitsgrade des Denkens, Fühlens und Wollens und an der Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln. Der Raum, in den hinein sich das Selbstwerden des Kindes entfalten sollte, ist vielfach eingeschränkt: Das betrifft den emotionalen Beziehungsraum, den eigenen Phantasieraum und den eigenen Handlungsraum.
Analytische Psychotherapie des hyperaktiven Kindes intendiert ein „Durcharbeiten“ der Verlassenheitsängste und eine Nachreifung der Ichstrukturen mit dem Ziel, dem Kind aus seinem Gefangensein in frühkindliche Erlebnisweisen herauszuhelfen, „die Türe zu öffnen“ zur altersentsprechenden Selbststeuerung, um damit „die psychische Geburt“ einzuleiten.

Zur Verdeutlichung werden 4 Fälle aus der Praxis dargestellt:

Fall 1:

Eine 35 jährige Mutter kommt mit ihrem achtjährigen Sohn zum Erstinterview mit der Vorstellung, dieser leide an Hyperaktivität, wie es bereits die Lehrerin „diagnostiziert“ hätte. Sie beginnt das Erstinterview mit folgender Feststellung:

„Mein Sohn tut nicht was er soll, er hat nur seine eigenen Interessen im Kopf, er ist nicht bereit, sich in die Familie zu integrieren. Er möchte nicht schlafen gehen, wann wir es sagen. Er möchte nicht die Schularbeiten machen, auf jeden Fall nicht nachmittags, seine Aufgaben hat er nicht in das Buch geschrieben, er steht während der Schule auf, wann er will und geht durch die Klasse und hört nicht auf das, was die Lehrerin sagt; man könne meinen, es geht von einem Ohr zum anderen hinein und hinaus. Ich rege mich furchtbar auf, ich halte es nicht mehr aus, an dem beiße ich mir noch die Zähne aus“. Nach einem Redefluss sagt die Mutter, auf ihren Sohn blickend, der neben ihr ruhig und gelassen sitzt: „ Wissen Sie, durch ihre Fragen bin ich ganz durcheinander gekommen. Wenn ich sehe, wie er hier ruhig sitzt und ich mich aufrege, könnte ich fast glauben, ich bin hyperaktiv und nicht mein Sohn.“

Zu dieser Fallvignette ist anzumerken, daß die Mutter allein erziehend lebt. Nach der Trennung vom dritten Partner (dem zweiten Ersatzvater für den Sohn ) innerhalb von vier Jahren, ist sie sehr verunsichert hinsichtlich ihrer eigenen Beziehungsfähigkeit, aber voller Wut auf die „Männer, an die man nicht herankommt“. So wie sie nicht an ihren Vater herankam, kann sie ihren Sohn nicht in Ruhe lassen.

Fall 2 :

Die Mutter kommt allein zum Erstgespräch mit der Vorstellung, der Sohn selbst hätte nicht mitkommen müssen. Außerdem sei er in der Schule. Sie würde ein Gutachten für ambulante heilpädagogische Therapie „über's Jugendamt“ benötigen, damit diese auch bezahlt werden könne, wenn ADHS vorläge, was bereits vom Hausarzt und der Ergotherapeutin diagnostiziert sei.

Sie ist 38 Jahre alt, Hausfrau, ungelernt, wirkt insgesamt freundlich, mütterlich, aber auch gleichzeitig kindlich. Sie berichtet folgendes:

Der 7jährige Patient gehe in die 1. Klasse einer Schule für erziehungsschwierige Kinder, da er nicht stillsitzen könne und sie es so entschieden habe auf Anraten der „untersuchenden“ Lehrer. Er habe noch einen 11jährigen Bruder, der in die 5. Klasse einer Sonderschule für Lernbehinderte gehe wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche.

Eine 10jährige Schwester sei in der Pflegefamilie untergebracht, da sie vom Vater missbraucht worden wäre, dieser sei deshalb vor 5 Jahren verurteilt worden, und sie sei von ihm geschieden. Sie alle wollten mit ihm nichts mehr zu tun haben.

Sie selbst habe in der Ehe, obwohl sie älter als der Vater sei, nichts zu sagen gehabt, da sie beim Schwiegervater, einem ausgesprochenen Tyrannen gelebt hätten, für den sie nur “Putzmamsell“ gewesen sei.

Wenn ihr Sohn mit mehreren Kindern zusammen sei, komme er nicht zur Ruhe, sei sie mit ihm alleine, wäre er relativ einfach zu handhaben. Daß er in der Ergotherapie, die er jetzt seit 4 Monaten bekomme, unauffällig sei, wundere sie nicht, da es nur Einzelkontakte wären. In der Schule habe sich nichts geändert, er sei weiter unruhig, unkonzentriert und impulsiv, auch aggressiv gegen andere Kinder, wie bisher.

Sie erinnert, daß der Patient mit Eintritt in den Kindergarten im Alter von 3 Jahren unruhig wurde. Er habe dort nicht hingewollt, sondern bei der Mutter bleiben wollen. Er habe sich zwar gefügt, sei aber immer wieder aggressiv gewesen, habe andere Kinder getreten und auch sehr aufsässig gegen die sehr strenge Erzieherin aufgemuckt.

Zur Vorgeschichte wird berichtet, daß die Mutter kein drittes Kind mehr haben wollte und sich bereits Jahre zuvor mit dem Gedanken trug, sich von dem „tyrannischen“ Vater zu trennen. Zu Beginn der Schwangerschaft befasste sie sich mit der Möglichkeit einer Abtreibung, hörte jedoch dann auf den Rat ihres einzigen älteren Bruders, das Kind doch auszutragen. Die Schwangerschaft erlebte sie als stressig, die Geburt musste eingeleitet werden: „Als wollte der Junge nicht zur Welt kommen“.

Wie schon ihre älteren Kinder, konnte sie auch dieses Kind nicht stillen, da ihr die Ruhe dazu fehlte. In diesem Zusammenhang bezeichnet sie sich selbst als einen sehr unruhigen Menschen.

Der Patient wird als ausgesprochen unruhiges Baby beschrieben, er konnte mit 7 Monaten sitzen mit einem Jahr laufen mit zwei Jahren gut sprechen. Er war allerdings erst mit vier Jahren sauber und trocken. Als er zwei Jahre alt war, trennten sich die Eltern.

Auf die Frage, warum er Ergotherapie bekomme, berichtet die Mutter, daß die Ergotherapeutin bei ihrem Sohn eine Wahrnehmungsstörung, eine Fehlsteuerung des Gehirns sowie Koordinationsstörungen festgestellt habe.

Auf verstärktes Nachfragen wird deutlich, daß der Junge immer unruhig war, wenn es um eine Trennung ging. Dabei habe ihn die Trennung vom Vater nicht mitgenommen, da bereits ein Bekannter der Mutter eine wichtige Bezugsperson für das Kind gewesen sei. Als dieser vor einem Jahr weggezogen war, hatte der Patient sehr viel Trauer und Unruhe gezeigt. Immer, wenn er seine von ihm getrennt lebende Schwester sehe, werde er wieder unruhig und aggressiv.

Beim ersten Diagnostik-Termin fällt auf, daß der Patient sich ohne Zögern von der Mutter trennt und dem ihm unbekannten Interviewer ins Therapiezimmer folgt. Dort malt er auf Wunsch einen Baum, anschließend zeichnet er – trotz selbstkritischen Hinweises, er könne nicht malen – Tiere, in die er seine Familie verzaubert. Anscheinend unsicher, wer zur Familie gehört, malt er schließlich sich, seinen Bruder und seine Mutter als Giraffen, wobei ihm wichtig ist, daß sie alle einen großen Bauch haben, in den viel hineinpasst.

Nach anfänglicher Unruhe ist er sehr bezogen, ruhig, konzentriert und zeigt im durchgeführten IQ-Test ein überdurchschnittliches Potential.

Plötzlich beginnt er dem Interviewer zu erzählen, daß er in seinem Zimmer seit längerer Zeit einen eigenen Fernseher hat und neben dem Kinderkanal auch RTL und Super-RTL und – häufig abends oder morgens – die Nachrichten sieht. Ein neuer Freund der Mutter wohnt bei ihnen, den er wegen übermäßigen Alkoholkonsums nicht mag.



Kommentar:

Der Baum in seiner Kleinheit wirkt wie ein Bonsai-Pflänzchen.

Die Gleichheit aller Familienmitglieder als giraffenartige Bauchwesen kann auf orale Bedürftigkeit und mangelnde Triangulierung hinweisen. Der Wunsch des Patienten im anschließenden freien Spiel, dem Therapeuten alles nachzumachen, ihn zu vereinnahmen und sich von ihm spiegeln zu lassen, spricht für einen starken Wunsch nach Symbiose, die vermutlich nicht genügend in der Säuglingszeit bei der Mutter erfahren werden konnte, da diese sich selbst in einer sehr unglücklichen Situation befunden hatte (Ablehnung der Schwangerschaft, Trennungsabsichten).
Die Entwicklungs- und Beziehungsdiagnostik ergibt, daß die Beziehung zur Mutter nach der Trennung der Eltern immer enger wurde. Die Mutter hatte sich nach der Trennung von ihrem Mann – aus eigener Schwierigkeit mit Trennungserfahrungen heraus – vermehrt auf das Kind hin orientiert, was dessen unbefriedigten Symbiosewünschen einerseits entgegenkam, altersentsprechende Separationsschritte hingegen störte. Phaseninadäquate Nähe und emotionale Vernachlässigung (z. B. „ungeschützter“ Fernsehkonsum) führten dazu, daß der Junge im Konflikt zwischen Nähewünschen – und Separationsbestrebungen gefangen war.
Angemessene Verselbständigung, die die Mutter durchaus von ihren beiden älteren Kinder her beschreiben konnte, war weitgehend unterblieben. Nachdenklich meinte die Mutter, daß diese Phase erst jetzt, mit 7 Jahren, bei ihm eintreten würde.
Die Entwicklungsverzögerung hatte dazu geführt, daß der Junge sich in symbiosenahen Zweierbeziehungen wohlfühlte, jedoch noch keine „Gruppenreife“ erlangt hatte und somit in Gruppensituationen (Kindergarten, Schule) hyperaktiv reagierte.

Fall 3:

Die Mutter meldet ihren 10jährigen Sohn an, weil dieser jetzt auf das Gymnasium kommen soll, was aber wegen seiner Verhaltenauffälligkeiten gefährdet sei.
Im Erstgespräch, zu dem die ganze Familie erscheint, berichtet die Mutter impulsiv und überbordend, sie habe bei einer Kinderpsychiaterin fünf Stunden Diagnostik für ihren Sohn gehabt, er habe sich als überdurchschnittlich begabt erwiesen und wegen nachgewiesener Hyperaktivität ein Jahr lang intensiv Ergotherapie erhalten, damit „alles weggehen“ solle. Als nichts Wesentliches geschehen sei, habe die Ärztin gesagt, die Eltern sollten zu Hause etwas ändern, z. B. Fernsehen und Playstation abschaffen, der Junge solle mehr für die Schule tun, Ergotherapie würde er nicht mehr bekommen. Sie sei jetzt hier, da sie keine Medikamente aber weitere Ergotherapie für ihren Sohn haben wolle.
Zur Symptomatik befragt, kommt die Mutter zu den wesentlichen, sie störenden Verhaltensweisen ihres Sohnes: „Er fängt dauernd etwas begeistert an und hört sofort damit auf, wenn jemand Kritik äußert oder er das Gefühl hat, ausgelacht zu werden oder wenn er ‚über seine eigenen Füße fällt', weil er aufgeregt ist.“ Er sei impulsiv und unruhig, ärgere ständig seine Schwester und bringe nach Belieben beide Eltern „auf die Palme“. In der Schule sei es zu einem Leistungsabfall gekommen, obwohl er auf das Gymnasium gehen solle. Er selber sei mit seinen Schulleistungen nicht zufrieden (Notendurchschnitt von Zwei auf Drei.)
Nach Meinung der Eltern müsse er sich in allem mehr Mühe geben.
Zur Vorgeschichte berichtet die Mutter in klagendem Ton, daß die Geburt ihres Sohnes 16 Stunden gedauert habe. Schon während der Schwangerschaft habe sie große Bedrängnis gehabt, weil ihr eigener Vater sich nach dem Tod ihrer Mutter zu einem Alkoholiker entwickelt hätte und ihr ständig seine Unzufriedenheit über sein Leben aufbürde. Schon vor der Schwangerschaft habe sie Ohnmachtsanfälle bekommen, eine Verhaltenstherapie blieb ohne wesentlichen Erfolg.
Spontan fährt sie fort: „Drei Monate nach der Geburt meines Sohnes und einer harmonischen Zeit mit ihm habe ich meinen Vater wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus bringen müssen, mein Sohn hat damals Dreimonatskoliken bekommen!“
Als der Sohn zweieinhalb Jahre alt war, wurde sie erneut schwanger, fühlte sich depressiv mit der Vorstellung, alles nicht mehr schaffen zu können und hatte die Sorge, die Tochter würde geistig behindert sein (wie eine Verwandte).
Der Sohn reagierte auf die Geburt seiner Schwester mit trotzigem und störenden Verhalten. Er hat eine bis heute anhaltende Angewohnheit, der Schwester alles wegzunehmen.
ADHS habe er zu Beginn des zweiten Schuljahres entwickelt, direkt nach dem Hausbau und dem Wechsel in eine neue Schule. Er sei zum Außenseiter und Klassenclown mutiert. Durch ständiges Stören sei es zu Klassenkonferenzen gekommen. Die Schwester habe sich alles von ihm abgeguckt, so daß beide Kinder für die Eltern schwierig seien und nicht ihrem Harmonieverständnis entsprechen würden.
Während die Tochter oft weine und nur ihren Daumen als Tröster habe, sei der Sohn aggressiver und fordernder bei Versagungen seitens der Eltern. Während sie bei Aufregungen an den eigenen Fingern knibbele, stolpere er über seine Füße.

Zur Diagnostik:

Im ersten Einzelkontakt zeigt sich der Patient überaus vital, versucht sehr rasch, den Untersuchungsraum zu vereinnahmen und guckt erstaunt, wenn ihm etwas verweigert wird. Auffällig ist seine allgemeine Unruhe und ständig wechselnde Aufmerksamkeit, mit welcher er viele Gegenstände im Raum belegt.
In einigen projektiven Tests zeigt der Patient unbewußte Ängste vor Verlassenheit und gleichzeitige starke Nähe-Ängste. Die Reifungsdisharmonie zwischen intellektuellen Fähigkeiten und der Möglichkeit, sich in andere einzufühlen einerseits und einer kleinkindhaften, magischen Vorstellung, die Welt gestalten und beherrschen zu können andererseits, sowie eine orale Bedürftigkeit scheint den Patienten insbesondere in Beziehung zu anderen Menschen unter starke Spannung zu setzen.
Zur Beziehung zu seinen Eltern befragt, gibt er an, diese seien ständig unzufrieden mit ihm, er könne ihnen nie etwas recht machen, seine Schwester würde ständig bevorzugt, weil sie „die Liebe und Angepasste“ sei und sich ständig vordränge, so daß er vor allem darunter leide, zurückgesetzt und kleingemacht zu werden, und zwar vom Vater mehr als von der Mutter.
Zusammenfassend konnte diagnostisch bei diesem Patienten von einer narzißtischen Depression mit idealisiertem Größenselbst und Symptomen gesteigerter Aktivität ausgegangen werden, wobei letztere der Abwehr massiver Verlassenheitsangst diente.

Zu den Eltern:

Beide Eltern wurden von ihren Eltern emotional massiv ausgebeutet und wiesen erhebliche Defizite in der eigenen Autonomie-Entwicklung auf. Obschon beruflich erfolgreich und darum bemüht, den Kindern in erwachsener Weise Fürsorge zukommen zu lassen, war die Beziehung zu diesen doch im wesentlichen dadurch geprägt, daß die Eltern eigene unbewußte Wünsche nach Liebe und Anerkennung an sie richteten. Sie hatten den Kindern gegenüber besonders starke Harmonie-Bedürfnisse und einschränkende Tendenzen gegenüber dem Eigenwillen derselben.
In der Schwangerschaft mit dem Patienten und in seinen ersten Lebensjahren war die Mutter durch Gebundenheit an ihren depressiven Vater und schließlich durch dessen schwere körperliche Erkrankung emotional so belastet, daß sie dem Säugling nicht genügend Zuwendung und dem Kleinkind keine ausreichende Sicherheit und Begleitung in seiner Entwicklung geben konnte. Hinzu kam, daß auch der Vater emotional eher bedürftig und beruflich sehr eingespannt, ihr wenig Unterstützung bot.
Aus den frühen emotionalen Mangelerfahrungen entwickelte sich bei dem Patienten eine narzisstische Störung und orale Neidproblematik sowie ein auf Verlassenheitsängsten basierender Autonomiekonflikt.
In Zusammenhang mit einer Aktualisierung der alten Traumata von Verlassenheit und Trennung dadurch, daß die Eltern mit dem Hausbau beschäftigt waren und ein Umzug erfolgte, kam es zur Entwicklung der Symptomatik von Hyperaktivität im Sinne einer Depressionsabwehr.

Zur Therapie:

Es erfolgte eine einjährige tiefenpsychologische Therapie unter Einbeziehung der Eltern, welche auch Einzelgespräche zur Bearbeitung der elterlichen Problematik beinhaltete, die Therapie steht kurz vor der geplanten Beendigung.
Der Patient konnte soweit nachreifen, daß die affektiven Ausschläge zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit deutlich gemindert sind, die Unruhe einer zunehmenden altersentsprechenden Selbststeuerung und Konzentrationsfähigkeit gewichen ist und die fein- und grobmotorische Geschicklichkeit sich deutlich gesteigert hat. Vor allem aber gewann der Patient an Lebenslust, Durchsetzungskraft und Selbstvertrauen, so daß er auch nicht mehr eifersüchtig auf seine Schwester fixiert ist, sondern sich mehr mit Gleichaltrigen beschäftigt, mit denen er auf altersentsprechende Weise Beziehung halten und auch konkurrieren kann.
In der Familie ist eine wesentliche Beruhigung eingetreten. Der Umgang miteinander ist einerseits freier und andererseits klarer abgrenzend geworden.


Die bisherige Therapie kann wie folgt zusammengefasst werden:

1. Phase :

Völliges Chaos mit Einbrüchen affektgeladenen Agierens seitens des Patienten und auch seiner Eltern.
Der Patient versuchte, meinen Raum zu beherrschen mit willkürlichen und zerstörerischen Tendenzen, denen ich oft nur unter Aufbietung meiner körperlichen Kräfte abgrenzend begegnen konnte. Dies führte beim Patienten zu zeitweiligen starken Unlustgefühlen und Abbruchtendenzen.
Vor und nach den Stunden wollte die Mutter mich immer wieder „nur eine Minute“ sprechen, um mir mitzuteilen, daß der Sohn sich wiederum unmöglich aufgeführt hätte. Bei einer solchen Gelegenheit äußerte die Mutter einmal, daß sie „fast der Schlag treffen würde“. Darauf angesprochen, daß auch ihren Vater „der Schlag getroffen habe“, wurde die Mutter sehr traurig, so daß ihr angeboten wurde, sich mit therapeutischer Hilfe mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. Dabei konnte erarbeitet werden, daß ihr eigener Lösungsprozeß durch erhebliche Schuldgefühle ihrerseits blockiert gewesen war.

2. Phase

Nach knapp 10 Stunden setzte eine Phase ein, die man als Phase der Beruhigung, Eintracht, Harmonie oder sogar Symbiose bezeichnen könnte. Der Patient wirkte ausgesprochen unzufrieden und ärgerlich auf seine Mutter oder die sie manchmal begleitende Schwester, wenn diese versuchten, den Therapeuten wieder für sich zu besetzen. Er legte ausgesprochenen Wert darauf, daß seine Stunde mit mir nicht verkürzt oder gestört würde und nahm Zuflucht zur Gemeinsamkeit mit mir. Es ging um gemeinsames Malen, Schachspielen, gemeinsames Einrichten des Puppenhauses sowie um Spiele wie Bogenschießen, Luftgewehrschießen, Budenbauen oder Geschicklichkeitsspiele. Dabei war es ihm wichtig, mit mir das Gleiche zu tun, nicht miteinander zu kämpfen, sondern voneinander etwas abzugucken oder das Spiel in gleicher Weise zu erleben mit der immer wiederkehrenden Frage, wie ich es empfunden habe sowie mit der Mitteilung des eigenen Erlebens.
In der Gegenübertragung hatte ich den Eindruck, daß der Prozeß der Spiegelung besonders wichtig war.

3. Phase

In einer relativ kurzen Phase von 10 Stunden ging der Patient dazu über, im Sandkasten Kriegssituationen zu spielen: Soldaten, die immer wieder ein feindlich besetztes Dorf zurückeroberten, der Kampf schwarze gegen weiße Ritter, um eine Burg einzunehmen oder das Luftgewehrschießen, bei welchem er selbst und der Therapeut je eine eigene Zielscheibe herstellen mussten.
Das von mir getrennte Agieren wurde zunehmend wichtig. Immer wieder fragte er nach, was ich wollte oder was ich nicht wollte, sowie er auch seine eigenen Wünsche mit den meinen , die er phantasierte, verglich, um zur Entscheidung zu kommen, in der Regel das zu spielen, was ihm selbst wichtig war.
Immer wieder wurden Stunden in dieser ca. 20 Sitzungen dauernden Phase eingestreut, in welcher der Patient für sich allein etwas spielen wollte, und ich lediglich als Zuschauer zu dienen hatte und mit Kommentaren, die ihn bestätigten, nachfragen oder loben sollte. Ich habe diese Phase als Differenzierungs- und Übungsphase nach Mahler verstanden.

4. Phase

Schließlich entdeckte der Patient zunehmend das Gelände um die Praxis herum. Er wechselte auch innerhalb der Stunden zwischen dem Praxisraum und dem umgebenden Gelände. Zwischendurch wollte er lieber zu einer Sportveranstaltung anstatt zur Therapie gehen. Er gab an, daß diese ihm lästig sei, sie halte ihn von den Schularbeiten ab. Da er nun ins Gymnasium gekommen sei, müsse er auch Freundschaften pflegen. Solche Ablösungstendenzen von mir wechselten damit ab, daß er wieder meine Nähe suchte. Beispielsweise legte er sich dann auf die Couch, um mir vieles zu erzählen oder wünschte sich, daß ich ihm eine Geschichte erzählte. Diese Phase erlebte ich als Phase der Wiederannäherung.
Einen plötzlichen Einbruch erlebte der Patient an einem Wochenende, an welchem er einen Auftrag der Eltern als „wertlos“ und „überflüssig“ bezeichnete, wodurch er seinen Vater so in Rage brachte, daß dieser antwortete: „Du bist auch wertlos und überflüssig“. Dies führte zu einer ausgeprägten Trauerreaktion des Patienten. Er zeigte zuerst viel Unruhe, bevor er in die Therapiestunde kam und seine Trauer und seine Wut hervorbrachen. Es wurde möglich, das chronische Angsterleben des Patienten aufzuspüren, bei eigenständigem Handeln nicht Verständnis, sondern gefährliche Abwertung zu erfahren.
Im nachfolgenden Elterngespräch war es dem Vater mit Mühe möglich, seine verzerrte Wahrnehmung seines Sohnes aufzuspüren. So wie er selbst in eigenständigen Wünschen und Vorstellung von seinem Vater fast nie anerkannt worden war, konnte er nun in der Wiederholung seinem Sohn nur mit Abwertung begegnen, wenn dieser ihm nicht bedingungslos folgte.

5. Phase

In der Therapie schloß sich eine Phase an, die gekennzeichnet war durch kurzzeitige Initiativen und Abbrüche derselben, Beginn von neuen Aktivitäten, vorübergehendem Leistungsabfall in der Schule, verbunden mit Aggressionen gegenüber Lehrern und Eltern. Diese Phase habe ich als Konsolidierungsphase verstanden mit dem Versuch, Akzeptanz für seinen Eigenwillen sowohl bei mir als auch bei den Eltern zu erreichen. Die Bearbeitung der eigenen Autonomiekonflikte führte die Eltern dazu, mehr Verständnis und Toleranz gegenüber den „eigenwilligen“ Bestrebungen des Sohnes aufzubringen.
Anschließend entdeckte der Patient das Medium „Pony“ für sich. Er ließ sich drei Stunden lang von diesem tragen und ging sehr behutsam auf das Pferd ein.


Fall 4:

Ich möchte nun anhand einer Fallgeschichte einige Episoden aus einer abgeschlossenen Therapie darstellen, die zeigen, wie sich die Entwicklungs-schritte des Separations-/Individuationsprozesses nachholend in der Therapie abbilden und darstellen.
Ein vierdreivierteljähriger Junge – ich nenne ihn Konstantin – wurde von den Eltern vorgestellt, da er „hyeraktiv“ sei: Er störe zu Hause, sobald andere Menschen sich unterhalten wollten, so daß alle anderen Familienmitglieder überaus genervt seien. Dabei sei Konstantin der einzige, der in der Familie Aggressionen zeige. Er wolle hundert Sachen auf einmal machen, sei zunehmend nicht einverstanden, wenn die Mutter sich eigenen, außerhäuslichen Aktivitäten zuwende und sei im Kindergarten unerträglich, störe das Spiel der anderen, mache alles kaputt und sei inzwischen völlig isoliert. In ihm stecke „der Teufel“.

Vorgeschichte

Konstantins Vater ist ein erfolgreicher selbständiger Fabrikant, die Mutter ist Hausfrau und geht vielen außerhäuslichen gesellschaftlichen Aktivitäten nach. Sie arbeitet stundenweise im Büro des eigenen Unternehmens. Die Familie wohnt in einer Großstadt. Der 17-jährige Bruder, ein absolutes Wunschkind, dem beide Eltern sehr zugewandt sind, ist ehrgeizig und schulisch erfolgreich. Konstantin war nicht mehr geplant und kam für die Mutter sehr ungelegen, da sie andere Ziele verfolgte. Aus religiösen Gründen unterblieb aber eine Abtreibung.
Die Mutter berichtete, Konstantin habe sie von Anfang an sehr stark gefordert, viel geschrieen und viel Unruhe gezeigt. Er sei wie ihr eigener Vater, der ein energiegeladener Egoist gewesen sei. Dieser habe sich früh von der Mutter getrennt, als sie selbst noch ein Kleinkind gewesen sei.

Diagnostik:

Lt. Äußerer Symptomatik erfüllt Konstantin die Kriterien des ADHS

Schon in den ersten diagnostischen Stunden wurde ein bestimmtes Verlaufsmuster deutlich: Zu Beginn der Stunden wirkte Konstantin freundlich, ja fast dressiert, dann aber versuchte er relativ schnell meinen Raum einzunehmen und zu verwüsten, so daß ich am Stundenende schweißgebadet war in dem Bemühen, diese Zerstörungswut einzudämmen. Besonders faszinierte ihn der Teufel unter den Kasperlepuppen: er versuchte, mit dessen Hörnern meinen Tisch zu traktieren. Ein Intelligenztest war erst nach einem halben Jahr möglich und ergab einen überdurchschnittlichen Wert. Im motorischen Bereich war Konstantin zwar sehr schnell und impulsiv, jedoch ungeschickt und auf dem Entwicklungsstand eines zweieinhalbjährigen Kindes. In projektiven Testverfahren wurde ein erheblicher Autonomiekonflikt deutlich.

Die Familie

Die Mutter- Kind-Beziehung wirkte fast symbiotisch im Sinne einer Selbst-objektbeziehung. Dabei hatte das Kind offensichtlich abgewehrte, negative und aggressive Selbstanteile der Mutter zu tragen, die diese in ihm bekämpfte. Eine Triangulierung war nicht gelungen, der Vater wurde von Konstantin bekämpft. Bei den Eltern bestanden Ängste, daß der ältere Bruder zu kurz komme; daher versuchten sie beispielsweise während der Mahlzeiten immer, sich mit diesem zu unterhalten, während Konstantin nicht einbezogen wurde und durch seine „Störmanöver“ die Situation für alle immer unerträglicher machte.

Behandlung

Die Behandlung soll im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt werden.

Sie dauerte ein Jahr und zwei Monate und umfasste 86 Stunden. Auf die Dynamik der begleitenden Elterngespräche kann ich hier nicht im Einzelnen eingehen.

Als der Mutter deutlich geworden war, daß sie Konstantin viel zu wenig als Kind wahrgenommen hatte, hingegen an rascher Progression interessiert gewesen war (Machtkampf zwischen Progressionsforderung und Regressionswünschen), konnte sie sich zunehmend diesem Sohn zuwenden und ihn gleichzeitig aus der Rolle eines bösen Selbstobjektes entlassen. Auch der Vater lernte eigenständigen Kontakt zu dem Sohn aufzunehmen.

Ich habe die Therapie in folgende fünf Phasen aufgeteilt:

Phase 1: Chaos, Ausgangssituation

In den ersten 10 Stunden stellte der Patient immer wieder ein Chaos im Puppenhaus her und kämpfte darum, sich des Behandlungsraumes und seines Interieurs zu bemächtigen. Parallel dazu begann die Mutter, angeregt durch Elterngespräche, dem Kind – statt Fernsehen – Märchen und Geschichten anzubieten.

Phase 2: Beginnende Ordnung, Aufteilung der Welt in Gut und Böse, und:
Angst vor Überwältigtwerden


In dieser Phase spielte der Patient viele Stunden lang mit der Ritterburg, wobei ein durchgehendes Muster war, daß schwarze und weiße Ritter gegeneinander kämpften. Erst allmählich wurden die Szenen versöhnlicher, Bauern kamen hinzu, die für die Ritter Häuser bauen mußten. Schließlich ging Konstantin zum Spiel im Sandkasten über, wo immer wieder kleine Schiffchen von großen Wassermassen überflutet wurden, untergingen und wieder neu erstanden, wobei ich die Schiffe schützen musste. Am Ende dieser Phase wurde in Elterngesprächen deutlich, daß der Patient sich zunehmend dem Vater zuwandte.

Phase 3: Entdeckung des Therapeuten als „Mitspieler“ und „eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen“, Differenzierungs- und Übungsphase

In dieser Phase baute der Patient zunächst Höhlen, in die er hineinkroch. Ich als Therapeut musste die Höhle entdecken und zerstören, woraufhin der Patient voller Freude hervorkam. Ich musste auch in die Höhle hineinkriechen und die Höhle vom Patienten entdecken lassen. Schließlich baute sich jeder seine eigene Behausung. Ich musste über mich verfügen lassen und mich auch der archaischen Wut gegenüber als unzerstörbar erweisen, wenn meine Behausung vom Patienten zerstört wurde und dieser sich freute, daß ich als Therapeut keinen Schaden genommen hatte. Schließlich erhielt ich einen Namen, nämlich Karim , während der Patient sich selbst Thomas nannte.
Jetzt wurden Autos gebaut, mit denen man in die Welt fahren konnte, wobei zunehmend Unfälle passierten, bei denen Thomas beinahe starb und Karim als Arzt ihn rettete, ihn streichelte, ihm Geschichten erzählte und mit Pudding fütterte. – Hier deuten sich schon die Verlassenheitsdepression und die Wiederannäherungsphase an. – Mehr und mehr wurde Karim zu einem Beobachter gemacht, der die Dinge, die Thomas aufbaute, gutheißen sollte. Der Patient wollte der größte Erfinder und Konstrukteur der Welt sein.
Margret Mahler beschreibt die Hochgefühle der Übungsphase und spricht vom „Liebesverhältnis zur Welt“.

Phase 4: Wiederannäherungsphase mit Erleben von Verlassenheit und Trauer

Das Auto nahm weiterhin eine zentrale Stellung im Spiel ein. Plötzlich fühlte sich der Patient jedoch von Explosionen überwältigt. Karim, über das Handy gerufen, musste ihm immer wieder zu Hilfe kommen, musste immer wieder den reglos im Auto liegenden Thomas trösten. Dieser war sehr traurig und begann Situationen zu erzählen, in denen er sich verlassen gefühlt hatte, beispielsweise durch Auslandsaufenthalte der Eltern. Diese traurigen Spielsituationen wechselten ab mit Entdeckungsreisen.
Am Ende dieser Phase wurde ich als Therapeut in einem Elterngespräch von der Mitteilung überrascht, daß Konstantin nun völlig unauffällig, ja geradezu beliebt im Kindergarten und das Zentrum der Gruppe sei. Er wolle auch mit dem Vater viel unternehmen und könne die Mutter zu ihrer Freundin gehen lassen, ohne „Theater“ zu machen. Er sei sehr ruhig und gesittet geworden und gleichzeitig sehr kreativ.

Phase 5: Konsolidierung auf dem Wege zur Objektkonstanz und Abschied

Das Spiel der Endeckungsreisen „bis zu den Sternen“ wurde fortgesetzt.
Dieser Zeit malte er ein Bild, welches Thomas und Karim zeigt.
Als die Eltern die Beendigung der Therapie forderten, da Konstantin ja geheilt sei, führte dies bei Konstantin zu Protest gegenüber den Eltern und anklammerndem Verhalten und erneutem Auftreten oraler Wünsche in der Therapie, zum erneuten Versteck- und Suchspiel und zum Bau einer Kanone, mit der er mich erschießen wollte, um mich „kleingehackt und zerstückelt“ mit nach Hause zu nehmen. Nach vielen Ausbrüchen von Ärger und Unzufriedenheit mit mir als Therapeut, der es zulässt, daß die Behandlung beendet wird, kam der Patient von sich aus auf die Idee, Teile meines Zimmers – in Form von kleinen Autos, Buntstiften und Zeichnungen – mitzunehmen, sie wiederzubringen und mit mitgebrachten Teilen aus seinem eigenen Zimmer zu ergänzen. Hier wird der Kampf um die Objektkonstanz deutlich.
Diese letzte Phase war also gekennzeichnet durch das Abschiednehmen, „den Therapeuten mitnehmen“ und den Versuch sich mit ihm zu identifizieren. So berichteten die Eltern lachend, daß er versuche, „wie Dr. Schuler“ mit ihnen zu sprechen, und wenn er etwas durchsetzen wolle, dieses „im Namen von Herrn Schuler“ ankündige.
Zur Beendigung der Therapie zeigte der Patient Zufriedenheit mit seiner eigenen Situation und wies darauf hin, daß er zwar nicht mehr kommen könne, da er zu Hause zu viel zu tun habe, daß er sich aber wünsche, in einem Vierteljahr wiederzukommen.

Ein Vierteljahr später absolvierte Konstantin erfolgreich eine Schuluntersuchung. Die Mutter berichtete, ihrem Sohn sei bescheinigt worden, in allem altersgerecht nachgereift zu sein. Danach habe er vom Kindergarten gut Abschied nehmen können und die Schwellensituation der Einschulung sehr gut gemeistert. Es bestand meinerseits leiser Zweifel, ob die Therapie auf Druck der Eltern nicht zu frühzeitig beendet worden sei. Die Eltern hatten jedoch eine Option wiederzukommen, falls es erneut zu Auffälligkeiten bei ihrem Sohn kommen würde. Da sie diese nicht wahrgenommen haben, gebe ich heute, eineinhalb Jahre nach Abschluß der Therapie, von einer Heilung der seelischen Störung des Patienten aus.

Schlußfolgerung

Die Auseinandersetzung, ob ADHS eine körperliche oder eine seelische Erkrankung ist, soll hier nicht weitergeführt werden.
Meiner Erfahrung nach sind die betroffenen Kinder mit ihrer ganzen Person – psychosomatisch – betroffen durch eine zugrunde liegende Angst vor Überflutung mit Gefühlen, die sie nach traumatischer Vorerfahrung von Verlassenheit nicht kontrollieren können. Daß psychodynamische Therapie den betroffenen Kindern hilft, ihre Verlassenheitsdepression und damit die Fixierung auf ein kleinkindhaftes Verhalten zu überwinden, um sich im Sinne einer Nachreifung progredient entwickeln zu können, ist an vielen behandelten Kindern erlebt und nachgewiesen worden.

Befremdlich wirkt die Verleugnung dieser heilsamen Beziehungserfahrung im augenblicklichen wissenschaftlichen Mainstream durch die wiederholte Feststellung, psychodynamische Therapie sei bei diesem Krankheitsbild kontraindiziert. Statt dessen werden als Mittel der Wahl Verabreichung von Medikamenten und Verhaltenstherapie, die eine Anpassung fördert, angesehen. Parallel dazu wird im öffentlichen Diskurs über die ersten drei Lebensjahre des Menschen die Bedeutung der Eltern für die Entwicklung des Kindes in Frage gestellt und behauptet, institutionelle Erziehung fördere das Kind intensiver zu dessen Wohl. In beiden Fällen werden anderslautende Meinungen weitgehend ignoriert.

Die Betrachtung der seelischen Entwicklung zu einem selbständigen Menschen führt zur Würdigung eines entwicklungsfördernden Raumes, der in jeder lebenswichtigen Beziehung enthalten ist: Sehr lange wurde der väterliche Beziehungsraum dezimiert und der Vater in seiner Bedeutung für die kindliche Entwicklung innerpsychischer Integration verschiedener Persönlichkeitsanteile im Sinne von „sowohl als auch“ entwertet. Die Folge ist oft eine eingeschränkte Fähigkeit, in der Welt zu bestehen. Zunehmend wird auch der mütterliche Raum und die Mutter als primäre Beziehungsperson als ersetzbar deklariert. Doch wenn die eigene Entfaltung des mütterlichen Raumes, die mit der kindlichen Entwicklung korrespondiert, gestört ist, so führt dies auch zu einer Reifestörung der Kindesentwicklung: Bei unzureichender Verfügbarkeit der Mutter als ganzer Person in der Beziehung verzögert sich die differenzierte Ausbildung von Wahrnehmung, Fühlen, Wollen, Planen und Handeln sowie die Fähigkeit, diese Kompetenzen je nach Lebenssituation in Beziehung zueinander setzen zu können.

Die Verdrängung dieser Zusammenhänge führt zu einer oberflächlichen Wahrnehmung von nur Dezifiten an Anpassung und Funktionieren des Kindes. Wenn dann die Ursache in dysfunktionalen Beziehungen einzelner Gehirnarreale zueinander gesehen wird (Sergeant, 2005) so erscheint eine Verschiebung vorzuliegen. Die Behandlung mit Medikamenten, die einen stimmungsaufhellenden Effekt besitzen, runden das Bild einer hypomanischen Abwehr der Anerkennung von Beziehungsschwierigkeiten der Erwachsenen zum Kind und der damit verbundenen Gefühle ab. Dies korrespondiert mit der hypomanischen Abwehr des betroffenen Kindes gegen seine schwer auszuhaltenden Gefühle von Depression durch scheinbare Unberührtheit, Clownereien und Verweigerung, um sich und den anderen, von dem das Kind sich abhängig fühlt, in den Griff zu bekommen.

Die Beziehungsräume des Kindes werden in der immer unruhigeren, von Reizen überflutenden Gesellschaft, die fortschreitend autistisch (Lempp, 1996) wird, unsicherer, beliebiger und willkürlich, verändert. Ebenfalls wird der therapeutische Beziehungsraum in Frage gestellt.

Ein Ausweg ist durch Rückbesinnung auf den Wert kompetenter Elternschaft zu finden. Das bedeutet die Infragestellung einer Entwicklung zu immer stärkeren Mechanisierung der Gesellschaft, in der rationale Problemlösungsansätze mehr gelten als aufwendige Beziehungsarbeit in einer Zeit, in der menschliche Arbeit immer weniger gilt.

Die Kinder mit ADHS-Symptomatik fordern gerade Beziehungsarbeit vehement ein. Darin wollen sie ernst genommen werden.
Alle Eltern und Kinder mit der genannten Symptomatik, die im Rahmen einer Therapie die anstrengende Arbeit einer Beziehungsveränderung auf sich genommen hatten, drückten ihre Freude über das Ergebnis ihrer Beziehungsarbeit aus.



Dr.med. Martin Schuler*
* Name von der Redaktion geändert






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